Montag

Es ist Montag, ich stehe auf, drücke beim Frühstück Push-Up-Nachrichten weg. Fahre zur Uni, alles normal, alles wie immer und gleichzeitig nicht. Wie kann es hier so normal sein und anderswo so gar nicht? Dieses Anderswo war mal eine Zeit lang mein Zuhause und so bricht auch mein Herz immer mal wieder. Dann wieder was anderes, Alltag, oh nein, noch eine Abgabe für die Uni! Gehe Kaffeetrinken, habe junge-Leute-Sorgen um Anerkennung und Identität. Dann drückt wieder das Gewicht der Welt auf mich, in meinem Instagram-Feed Bombenhagel. Ich spende Geld gegen Ohnmacht. Weltverbessern per Mausklick? Treffe abends Freunde, die auch die Welt verbessern, so viele Kämpfe gleichzeitig. Trinke Glühwein, es ist schon November, der Krieg geht schon ein Jahr, wir diskutieren über Zwei-Staaten-Lösungen, dabei ist das Wort Lösungen so weit entfernt wie der Krieg für die meisten Menschen, die ich kenne. Später WhatsApp Nachrichten, weitergeleitet ein Aufruf, eine Bekannte ausgebombt, ob wir jemanden kennen? Leite weiter, weine leise, dann noch Bad putzen und überhaupt, wie sieht mein Zimmer wieder aus? So wie meine Herzkammern, auch unaufgeräumt, in ihnen sammelt sich der Dreck der Welt. So nah und doch so weit weg. Nah, weil ich an Gesichter denken muss, wo nur Zahlen über den Bildschirm flimmern. Weil ich ängstlich auf Karten schaue, Nachrichten schreibe, are you okay. Da ist Krieg in meinem Alltag und doch natürlich auch überhaupt nicht, in meiner watteverpackten Welt. Aber da sind eure Gesichter in meinem Herzen und eure Texte auf meinem Bildschirm und wir sind doch eine Welt. Ich bete zu einem Gott, an den ich gar nicht mehr richtig glaube, dass alles aufhört. Jetzt sofort. Denn es sind Gesichter in meinem Herzen und Texte auf dem Bildschirm und irgendwie und trotz allem sind wir doch eine Welt.

Tabea Schünemann, 29.11.2024

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