Story

Der Anfang

Die Geschichte hinter dieser Seite und meinen kreativen Projekten beginnt im September 2007. Ich war damals gerade 24 geworden und zu einem Studienjahr in den USA. Gleich nach der Ankunft Ende August begann ich mit dem regelmäßigen Laufen, um das mal auszuprobieren und gleichzeitig ein paar Kilo abzunehmen. Das war der Beginn. Bereits einige Wochen später merkte ich, dass etwas nicht stimmte. All meine Gedanken kreisten ums Essen und Abnehmen. Daneben absolvierte ich einen Hochleistungsalltag an einer der besten Unis der Welt.

Es dauerte nicht lange, da merkte ich, ich hatte ein Problem.

Das war nicht „normal“.

Das fühlte sich zunehmend krank an.

Bücher

Ich machte dann, was ich immer tue, wenn ich ein Problem oder eine zehrende Frage habe. Ich ging ins Internet und suchte nach Büchern. Diesmal waren die Suchworte: „Essstörung, Magersucht, Psychologie“. Ich suchte bewusst nach deutschen Büchern von erfahrenen Therapeutinnen mit guten Bewertungen. Damals war es noch etwas schwieriger, Bücher in allen möglichen Sprachen in alle möglichen Länder schicken zu lassen. Also orderte ich sie in mein deutsches zu Hause und sagte sogar meiner Mutter vorher, sie solle sie lesen, denn ich war mir ziemlich sicher, dass sie mein Problem beschrieben. Und ich wusste auch bereits, dass, falls dies zutraf, es auf absehbare Zeit nicht nur „mein“ Problem sein würde. Essstörungen, wie die meisten psychischen Erkrankungen, reißen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Angehörigen ins Bodenlose.

Krank

„Bücher haben mein Leben gerettet“…

Mit diesen Ursprüngen meiner Geschichte ist auch erklärt, warum ich immer sage: „Bücher haben mein Leben gerettet.“ Es trifft noch auf viele weitere Situationen in meinem Leben zu, aber damals ganz besonders. Ich erwartete sehnlichst das Bücherpaket aus Deutschland und verschlang alles neben meinem hohen Lesepensum für die Uni, während ich Kilo um Kilo verlor. Und die Schilderungen in den Büchern ließen keine Zweifel: sie beschrieben mich. Mir war sofort klar, dass das Gewicht nicht das wirkliche Problem war. Das wahre Problem war meine Psyche – meine Seele, die laut nach Hilfe schrie. Damit wusste ich schwarz auf weiß: Ich bin krank. Und ich wusste auch, dass mein Leben enden würde, wenn ich das nicht ernst nahm. Denn Magersucht ist eine der psychischen Erkrankungen mit der höchsten Sterberate (direkt über Hungern, indirekt über Depression und vielleicht Suizid).

Fragen

Das wunderbar Befreiende an der Erkenntnis, dass man bald sterben könnte, ist, dass dann alles andere unwichtig wird. Das genau war der maßgebliche Befreiungsschlag. Damit war ich noch lange nicht „geheilt“, noch nicht mal ansatzweise. Aber es war der allererste Schritt zum Licht. Ab diesem Moment machte ich mich auf einen Weg, der bis heute andauert und wahrscheinlich bis an mein Lebensende reicht. Ich stellte mir die zentralen Fragen, die sich Menschen häufig erst am Ende ihres Lebens stellen oder eben an entscheidenden Wendepunkten: Wer bin ich wirklich? Was will ich wirklich? Was will ich nicht mehr, obwohl ich denke, es ist so wichtig für mein Leben? Wen liebe ich? Warum schere ich mich so sehr darum, was andere denken? Und was genau sind die Ursachen hinter dem Leiden, das ich mir selbst beschere?

Der Weg

Mein Weg führte mich erst mehr als ein Jahr später in eine Therapie, als ich wieder in Deutschland war und noch so manchen anderen Schicksalsschlag in den Knochen hatte. Da wog ich wahrscheinlich schon mind. 15 Kilo weniger als ein Jahr zuvor. Wenn man bedenkt, dass ich auch zu Beginn der Sucht (die in Wahrheit länger zurückreichte) nicht übergewichtig gewesen war, kann man sich vorstellen, was das bedeutet. In meinen schlimmsten Zeiten wog ich um die 43 kg, wobei die in den ersten Jahren noch gar nicht erreicht waren. Die Therapie endete nach einem Jahr und ich wog ein paar Kilo mehr, hatte eine eigene Wohnung, ein etwas anderes Leben, aber eines war mir trotzdem klar: Therapien würden mir auf Dauer nicht helfen können und ich wollte auch nicht den Großteil meines Lebens mit ihnen verbringen. Ich wusste, dass ich meinen eigenen Weg zur Heilung finden musste. Das war mein innerer Auftrag, den mir die Krankheit geschenkt hatte. Und genau dabei leitete mich mein innerer Anker: das Lesen, das Schreiben, die Kreativität.

Kreativität

Schon seit der Kindheit schreibe ich und erfinde Geschichten. Für mich war das nie etwas Besonderes. Indem ich mich aber immer mehr mit meinem Inneren beschäftigte und all die Wunden verfolgte, die Ursachen meiner Krankheit sein mussten, wurde auch meine Kreativität immer stärker. Zwar verfolgte ich weiter meine wissenschaftlichen Ziele rigoros und schonungslos gegen meinen Körper und meine Seele, aber das Schreiben und mich Ausleben gewann immer mehr Raum. Ich schnitt mir die Haare ab, verliebte mich hemmungslos, änderte meinen Kleidungsstil und mein Umfeld. Plötzlich flossen auch Gedichte aus mir heraus, die ich vorher weder gelesen noch gemocht hatte. Sie brachten all das nach außen, was ich erfolglos versucht hatte, weg zu hungern. Damit fasste ich auch immer mehr Mut und Selbstvertrauen, dass mein Schreiben einen Platz in der Welt hat, ob es nun jemand lesen wollte oder nicht. Es war meins – mein Ding. Keiner konnte es mir nehmen, nur ich mir selbst, wenn ich nicht an mich glaubte. Aber damit sollte Schluss sein. Diese heilende Kraft des Schreibens ist heute unter Poesie- oder Bibliotherapie bekannt. Für mich ist es einfach nur: mein Leben.

Umwege

Auch wenn ich nun mit der Kreativität meiner Identität auf die Spur kam, ging der Weg nicht gerade bergauf. Im Gegenteil: Erst ging es steil nach oben, dann noch steiler nach unten, und dann immer mal wieder rauf und runter. Wann immer ich gedacht hatte, ich hätte es geschafft, kam der nächste Absturz. Die Außenwelt bekam das kaum mit. Meine wissenschaftliche „Karriere“ ging highspeed weiter. Ich merkte aber auch immer mehr, dass das alles nicht mehr passte. Der Mensch, der diese Karriere gestartet hatte, war nicht mehr ich. Es wartete noch eine lange Strecke auf mich, mich davon zu befreien – innerlich und äußerlich. Schließlich kündigte ich 2018, kurz nach der Habilitation, mehr oder weniger von heute auf morgen, meinen Job in der Uni (was nicht heißt, dass ich damit wirklich losgelassen hatte…). Das war verrückt, aber es war ein wichtiger Schritt der Ablösung. Ich hatte da bereits mit vielen vermeintlichen „Zielen“, mit denen ich mir selbst das Leben schwer gemacht hatte, abgeschlossen. Es ging um mein Leben – mein Überleben.

Unternehmertum

Die Jahre, die dann folgten, waren glücklicher und gesünder als die meisten zuvor. Ja, sie waren nicht von Reichtum geprägt, aber es reichte. Und was das Wichtigste war: Ich lebte hauptsächlich vom Schreiben. Es begann eine Zeit des intensiven Lernens als Unternehmerin. Wann immer ich unter Unternehmer/innen war, fühlte ich mich richtig und strahlte. Da war eine Energie, die mir guttat. Und ich lernte, dass Unternehmertum für mich ein Sinnbild des Lebens ist. Unternehmertum ist immer existenziell. Man hat die volle Verantwortung für sich und ggf. für Mitarbeitende. Und je mehr man sich selbst kennt und zu den eigenen Stärken steht, desto klarere unternehmerische Entscheidungen trifft man. Das hat viel mit der Balance zwischen Kopf und Bauch, zwischen Ratio und Emotion, zu tun. Und genau dieses Gleichgewicht kann einem in der rationalen Wissenschaft abhanden kommen. Unternehmer/innen hingegen sind oft sehr passionierte und emotionale Menschen, auch wenn das jetzt sehr stereotyp klingt. Ich glaube, das ist nach wie vor das, was mich so aufblühen lässt. Als Magersüchtige hat man sich genau diese Emotionen und die Sensibilität weggehungert. Und noch eines: Fragt man Unternehmer/innen, was sie das Risiko hat eingehen lassen, sich selbstständig zu machen oder finanzielle Risiken einzugehen, hört man oft den Satz: „Ich habe daran geglaubt, dass es funktioniert, auch wenn es verrückt war.“ Dieser feste Glaube an etwas Unbekanntes hat mich schließlich auch zur Brücke zwischen Unternehmertum und Spiritualität gebracht. 

Spiritualität

Mein Heilungsweg war auch ein Glaubensweg war, der noch anhält. Seinen Anfang nahm dies durch eine Erfahrung im Sommer 2011, die man im religiösen Jargon als Bekehrungserfahrung bezeichnen würde. Ich mag den Begriff des Erwachens lieber, da er weniger religiös aufgeladen und sehr sinnbildlich ist. Wichtig ist, dass ich ohne diese Erfahrung und die spirituelle Suche, die dies angestoßen hat, wahrscheinlich irgendwann den Lebensmut und den Kampf gegen die Krankheit verloren hätte. Diese Suche dauert in gewisser Weise an, auch wenn ich bereits viele Stationen des Wachstums durchlaufen habe. Diese Entwicklung im Glauben ist Fluch und Segen zugleich, denn man ist auch und gerade hier am meisten geneigt, sich Dogmen anzuschließen, die innere Stimme nicht zu hören und sich selbst wieder zu verlieren. Auch diese Umwege gehörten für mich dazu und waren bis zuletzt schmerzhaft. Doch auch das sind letztlich Geschenke, die einen weiterbringen. Aufgrund meiner Geschichte ist die Verbindung zwischen Spiritualität und (psychischer) Gesundheit heute mein Lebensthema geworden. Es fasziniert mich und ich habe noch lange nicht das Gefühl, am Ende angekommen zu sein. Im Gegenteil, ich spüre immer mehr, dass Menschen zu mir kommen und mit mir teilen, was sie innerlich bewegt. Diese Gespräche sind unglaublich kostbar und schön.

Reisen

Mein Glaubensweg ist nicht ohne mein Leben als Reisende zu denken. Seit der Kindheit prägt es mich. Ich bin aufgewachsen in einem bunten Viertel unter Familien aus Dutzenden von Nationen, Sprachen und Glaubensrichtungen. Meine intensivsten Wachstumsmomente habe ich im Ausland erfahren. Wer reist, ist ausgeliefert. Er macht die Erfahrung der Fremdheit, des Alleinseins und vielleicht sogar der Ausgrenzung. Und genau diese Dinge sind es, die uns die Welt von der anderen Seite sehen lassen. Das ist ein Schatz und ich habe lange nicht verstanden, wie sehr ich ein internationales Umfeld brauche, um mich lebendig zu fühlen. Das Gefühl des Andersseins kann auch eine Verbundenheit schaffen, die keine Worte braucht. Und ich sehe es als meine Berufung an, Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Glaubensrichtungen zu bauen. Vielleicht ist auch das ein Geschenk von Krankheiten. Es geht nur um das Menschsein. Und genau darum geht es mir auch, wenn ich in kreativen Projekten sehr unterschiedliche Menschen miteinander in Kontakt bringe.

Coaching 

Die Coachingausbildung absolvierte ich 2016 und begleite seitdem Menschen auf ihrem Weg. Wenn es eine berufliche Rolle gibt, mit der ich mich problemlos identifiziere, dann ist es diese. Mir geht es nicht darum, Menschen einfach nur „erfolgreich“ zu machen. Mir geht es darum, dass sie den Mut finden oder überhaupt erst einmal den Glauben daran, dass ihr inneres Flehen und Sehnen gelebt werden will und darf. Das klingt so einfach wie aus dem Poesiealbum, ist es aber nicht. Damit ist meist jahrelange innere Arbeit verbunden. Ja, wir sind eine Gesellschaft, in der es vermeintlich kaum Taboos mehr gibt. Schwulsein ist kein Problem, Jobwechsel ganz normal, unkonventionelle Lebensstile vermeintlich anerkannt, Scheidung und Patchwork auch schon die Regel, auch über Krankheiten kann man öffentlich reden. Das ist alles ganz schön und gut, wenn es im Leben der anderen passiert. Wenn es dann aber plötzlich uns selbst trifft, dann sieht die Sache schnell ganz anders aus. Dann kommen die wirklichen Glaubenssätze, Handlungsmuster und unbewussten Ängste zutage. Und ein Mensch, der sich wegen dieser Ängste mal fast umgebracht hat, der kann anderen sehr viel dazu mitgeben, wie sie ihre inneren Fesseln sprengen – so sie das denn wollen. Dazu gehört auch, dass man die eigenen Wunden und Verletzungen nicht mehr verdrängt, sondern als Weckruf sieht, sich zu befreien und ein schöpferisches Leben zu leben, das man auch ausstrahlt. Genauso verstehe ich das Zitat: